Verrückt, dachte ich vergangene Woche. Jetzt weihnachtet es wieder. Überall erscheinen an den Häusern Lichterinstallationen, vor einem Haus stellt eine junge Familie einen Holzweihnachtsbaum vor die Tür und schmückt ihn mit rot-goldenen Ketten und einem Teddybären. In unserem Supermarkt waren ja schon seit langem die Lebkuchen und Adventskalender in den Regalen. Sie ist also doch gekommen: die Vorweihnachtszeit. Trotz Corona. Obwohl sich das Leben seit geraumer Zeit wie im Kondom anfühlt. 

Und wiederum genauso überraschend schnell wie in jedem anderen Jahr. Das Geschehen um mich herum nimmt mich gefangen, und gestern beschließe ich, Plätzchen zu backen. Was wäre schließlich der erste Advent ohne selbst gebackene Plätzchen? Ich sehe in den Kühlschrank und stelle fest, dass noch genügend Butter da ist. Unsere Mehl- und Zuckervorräte reichen auch aus. Ich muss also nicht den Weg mit Mundschutz in den Laden antreten. Mit der Küchenmaschine knete ich den Teig und stecke ihn zum Kühlen in den Kühlschrank.

Abends hole ich ihn dann wieder heraus, streue Mehl auf mein Backbrett und knete den Teig kurz durch bevor ich beginne, den dicken Teigklumpen auf das Mehl zu drücken und ihn vorsichtig ausrolle. Ich beobachte, wie sich kleine Risse an den Rändern bilden und da ist sie wieder: Die Erinnerung an das kleine Mädchen, das ich einmal war, das gerne den Teig ausrollen wollte und noch nicht durfte. Wie ich meiner Mutter bei der Arbeit zuguckte und fieberte, wenn ein kleines Teil der schon fast ausgerollt geglaubten Teigplatte an der Holzrolle hängenblieb und mir ein Stück für das Ausstechen abluchste. Von den Butterplätzchen in Form von Monden, Sternen, einer kleinen Ente und den Engelchen von denen es nun ein paar weniger ausgestochen gäbe.

Es sind Erinnerungen wie diese, die mich mit Sehnsucht und Wärme erfüllen. Frühere Zeiten werden in mir lebendig. Eine Zeit, die zu mir gehört, aber längst vergangen ist. Ich verpacke diese Erinnerungen gerne in Geschichten, die ich erzähle oder notiere. Und ich freue mich schon jetzt darauf, sie später mit meinen Enkeln zu teilen.

Geschichten haben einen ganz besonderen Reiz. Die Weihnachtszeit ist voll mit ihnen: Geschichten, Märchen und Erinnerungen. Während Dunkelheit, Kälte und Melancholie der Fröhlichkeit und Offenheit des Sommers folgen, ziehen wir uns in die Häuser, in uns selbst und unsere Familien zurück und werden ruhiger; wir tanken Energie und Kraft für den folgenden Frühling. Und so wie bei der kleinen Maus Frederic mit seinen bunten Geschichten in dem Buch von Leo Lionni, sind es die Geschichten und Erinnerungen, die uns in dieser Zeit des Jahres wärmen. Sie sind ein Teil von uns. Und das ist schön so.