Manchmal denke ich mir, dass das Schreiben mit Kindern vergleichbar ist mit den zarten Pflanzen in meinem Garten, die langsam ans Tageslicht kommen und ihre Blüten entfalten. Im vergangenen Sommer habe ich mir in Südfrankreich am Straßenrand von einem weißen Oleander einen Zweig abgeschnitten und diesen in eine halbierte Plastikflasche mit Wasser gesteckt, die den Rest unseres Urlaubs den Kaffeebecherhalter besetzte. Ich saß bei den langen Fahrten im Auto und blickte immer wieder unter den Wasserspiegel des Behälters und wartete darauf, dass sich endlich Wurzeln bildeten. Es tat sich nichts.
Am liebsten hätte ich irgendwas getan, um das Sprießen zu beschleunigen. Auch konnte ich nur darauf vertrauen, dass das ganze schon in Gang kommen wird. Meine einzige Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass der Zweig genügend Wasser bekam, dass das Wasser nicht auslief, dass der Zweig nicht abstürzte oder durch das Auf- und Zuschlagen der Autotür Schaden nahm.
Die Arbeit mit Kindern empfinde ich ähnlich: Ich kann ihnen einen Raum mit schöner Atmosphäre geben, ein „Zeitfenster“, in dem sie sich auf das Arbeiten mit Texten konzentrieren können und mein Ohr, das aufmerksam den Geschichten lauscht.
Aber ich kann die Geschichten nicht aus ihnen herausziehen. Und genau dies ist für uns Erwachsene manchmal die große Herausforderung: nicht zu agieren und zu belehren, ruhig im Hintergrund zu verweilen, auf den Prozess zu vertrauen und die passende Umgebung zur Verfügung zu stellen.
Ich höre ihren Geschichten zu und teile ihre Begeisterung dafür. Es ist schon sehr erstaunlich, was sie aus ihrer Fantasie heraus entwickeln. Das Wunder des kleinen, braunen Oleander-Astes, aus dem neues Leben entsteht, ist durchaus mit dem Wunder der Kinder vergleichbar, die aus ihrem Kopf die fantastischsten Geschichten entwickeln. Kaum zu glauben!
Nichtsdestotrotz überfallen mich dann doch immer wieder Überlegungen wie: Sollte ich nicht helfen, den Anfang zu einer Geschichte zu finden oder nach langen, spannenden Irrungen den Weg zu einem originellen Ende? Und dann schlage ich Methoden vor, mache Vorschläge oder zeige Methoden auf.
Regelmäßig sehe ich dann die Augen des jeweiligen Kindes größer werden. Mit einer Mischung aus Abweisung (weil meine Vorschläge scheinbar überhaupt nicht passen) und neuer Erkenntnis greift das Kind zum Stift und beginnt mit dem Weiterschreiben. Ob es die Abgrenzung zu meiner Idee ist oder die Assoziationen, die mit meiner Idee verknüpft werden, weiß ich nicht. Doch in mir entsteht die Erkenntnis, dass nicht nur aus den Kindern heraus, sondern auch durch in der Gemeinschaft, Kinder Methoden und Ideen des Schreibens entwickeln.
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